Dorian Hunter 18 - Die geraubte Mumie (German Edition) by Ernst Vlcek

Autor:Ernst Vlcek [Vlcek, Ernst]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-25T04:00:00+00:00

Nachdem Dorian seine Erzählung beendet hatte, fragte Coco: »Und wie interpretierst du heute die Vorgänge von damals? Der Dämon Keittel kann damals nicht wirklich gestorben sein, denn er treibt jetzt noch sein Unwesen.«

»Er starb damals nicht«, bestätigte Dorian, »weil er das Hexenhaus verlassen hatte und der Fluch nicht voll auf ihn wirksam werden konnte. Als man ihn in die Gruft legte, befand er sich nur in einer scheintoten Starre. Erst vierhundert Jahre später gelang es ihm, seine magischen Kräfte zu aktivieren und einige Bewohner von Velchen so weit zu beeinflussen, dass sie seine Mumie aus dem Grab holten. Wahrscheinlich holte er sich ihre Lebensenergien, um wieder zu Kräften zu kommen.«

Coco nickte. »Das klingt plausibel und könnte auch die Erklärung dafür sein, warum die verschwundenen Insassen des Hexenhauses ausgerechnet in unserer Zeit zurückkehrten. Sidonies Fluch lautete ja, dass er wirksam werde, wo immer sich Keittel auch befinde – egal an welchem Ort und zu welcher Zeit. Als die Lebensgeister des Dämons erwachten, wurde auch der Fluch wirksam.«

»Du siehst also, welche Gefahr diesem Ort droht«, sagte Dorian. »Die Hexen sind zurückgekehrt, um sich zu rächen – und mit ihnen sind auch ihre Peiniger gekommen.«

Coco war ans Fenster gegangen. »Komm her, Dorian!«, rief sie plötzlich. »Es sieht fast so aus, als hätten die Velchener so eine Art Bürgerwehr zu ihrem Schutz einberufen. Sie rotten sich auf dem Marktplatz zusammen.«

Dorian kam zum Fenster. In der Mitte des Platzes hatten sich bereits über zehn Männer verschiedenen Alters versammelt. Sie waren mit Schrotflinten und Jagdgewehren und mit Armeepistolen bewaffnet. Sie diskutierten erregt miteinander.

In diesem Moment tauchten in einer Seitengasse zwei Gestalten in Lumpen auf. Dorian erkannte erst, dass es sich um übel zugerichtete Frauen handelte, als sie in den Schein einer Straßenlaterne traten. Für ihn bestand kein Zweifel, dass es sich um Inquisitinnen des Hexenhauses aus dem 16. Jahrhundert handelte.

Ihre Körper waren zerschunden, die Gesichter entstellt; sie gingen auf krummen, verkrüppelten Beinen einher, als wären ihnen die Knochen vielfach gebrochen worden. Aber die Verletzungen schienen ihnen nichts auszumachen, sie hielten sich aufrecht, konnten ihre Beine mühelos gebrauchen – ein sicherer Beweis dafür, dass hier magische Kräfte im Spiel waren.

Nun wurden sie von der Menge bemerkt. Ein wüstes Geschrei erhob sich, die Männer schwangen ihre Waffen, hoben drohend ihre Fäuste und setzten sich auf die beiden Inquisitinnen zu in Bewegung. Die Frauen wehrten sich nicht. Sie versuchten nicht einmal zu flüchten, sondern ließen sich umzingeln und duckten sich nicht einmal unter den Schlägen, die auf sie niederprasselten. Es sah aus, als wollten sie den Märtyrertod sterben – und die Männer ließen auch erst von ihnen ab, als sie in ihrem Blut auf dem Boden lagen.

Coco, die sich abgewandt hatte, stieß Dorian an. »Das war nur ein Ablenkungsmanöver«, sagte sie. »Sieh mal zum Gemeindehaus.«

Dorian tat, wie ihm geheißen. Er sah gerade noch, wie zwei weibliche Gestalten durch das Tor des Gemeindehauses verschwanden – ähnlich gekleidet wie die beiden Inquisitinnen, die eben niedergeknüppelt worden waren.

»Sidonie!«, entfuhr es Dorian. »Bei der einen Frau handelte es sich um die Gräfin, die ich als da Mosto gekannt habe.

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